Schwerpunkt | Eine Szene aus Interstellar: Krise der Repräsentation

Der folgende Text breitet einen Flickenteppich aus theoretischen Ansätzen und Gedanken vor dem Publikum und der Leserschaft aus. Seine Form entspricht einer Spirale aus Verweisen und Problemfeldern, die ihrerseits der turbulenten Filmszene entsprechen soll. Aufsatz und Szene sind nicht abgeschlossen, sondern bewegen sich in ihren Widersprüchen auf ein Ende zu, das lediglich das Ende der Szene und des Aufsatzes sein kann, jedoch nicht das Ende der Diskussion oder der Inhalte.

Ich möchte also anhand einer Szene aus dem Kinofilm Interstellar[1] eine kleine Denkfigur präsentieren. Die zu besprechende Szene findet sich im Film von Minute 126 bis 132.[2] Ich werde das Geschehen in der Szene zunächst kurz zusammenfassen, es ist allerdings dringend empfohlen, sich diese Szene selbst anzusehen. Es sei außerdem festgehalten, dass ich die Szene für meine Denkfigur lediglich benutzen werde, um an derselben einige Gedanken zur Repräsentation zu formulieren, die sich so veranschaulichen lassen. Die Denkfigur sollte daher weitestgehend unabhängig von der Intention oder Handlung des Films gedacht werden.

1. Die Szene aus Interstellar

Wir sind im Weltraum. Die beiden Protagonist*innen Cooper und Dr. Brand sind auf der Suche nach einem neuen Planeten, auf dem die Menschheit eine neue Heimat finden kann, da die Erde unbewohnbar geworden ist. Sie sind dafür auf das Mutterschiff Endurance angewiesen, um die großen Entfernungen im Raum überwinden zu können und die verschiedenen Planeten, die in Frage kommen, zu überprüfen. Nur um direkt auf den Planeten landen zu können, nutzen sie die kleineren Shuttleschiffe, die selbständig keine größeren Distanzen überwinden können. Auf dem zuletzt untersuchten Planeten kam es allerdings zu einem Zwischenfall. Dr. Mann, der einen potentiell bewohnbaren Planeten untersuchte, hat die Besatzung des Mutterschiffs, der Endurance, unter falschen Vorwänden zu dem Planeten gelotst und will das Schiff jetzt übernehmen. Während er im Raumanzug versucht, die Schleuse der Endurance zu öffnen, beobachten Cooper und Dr. Brand das Geschehen von ihrem Shuttle aus der Distanz. Sie sprechen Mann zu und versuchen ihn davon abzuhalten, sich gewaltsam Zugang zu verschaffen, doch Mann ignoriert ihre Warnungen und führt durch seinen Versuch des Eindringens eine Explosion herbei, die einen Teil des Schiffes wegsprengt und es in einen rotierenden Zustand versetzt. Unsere beiden Hauptfiguren Cooper und Dr. Brand sind zunächst starr vor Entsetzen. Während Dr. Brand allerdings in ihrer Fassungslosigkeit verharrt, steuert Cooper die Endurance an. Allen Warnungen und pessimistischen Vorhersagen trotzend, schafft er es, an das Schiff anzudocken und es vor dem Absturz auf den Planeten zu bewahren. Bevor das Schiff wieder in eine ruhige Ausgangsposition gebracht wird, sind beide Figuren durch die körperlichen Anstrengungen des Prozesses nah an der Bewusstlosigkeit.

2. Versuch über den Ort und die Mechanismen der Repräsentation

Wenn ich nun von Repräsentation spreche, sollten wir uns dabei die zwei Bedeutungen vor Augen führen, die Gayatri Chakravorty Spivak in ihrem Text Can the Subaltern Speak konstatiert. Sie schreibt: „Two senses of representation are being run together: representation as ‚speaking for,‘ as in politics, and representation as ‘re-presentation,’ as in art or philosophy.“[3] In den beiden Ansätzen von Spivak können wir erkennen, dass dem Begriff der Repräsentation keine Behauptung von Identität, sondern ein nicht-identisches Beziehungsverhältnis inhärent ist. Ergänzend zu Spivak sollten wir uns daher Adornos Satz aus Negative Dialektik ins Gedächtnis rufen: „Identität ist die Urform der Ideologie.“[4] Das, was repräsentiert, sei es eine Bezeichnung oder eine politische Vertretung, kann nicht identisch mit dem gedacht werden, was sie repräsentiert. Es bleibt immer ein überschüssiger Rest, etwas Nicht-Identisches. Dieses Spannungsfeld wird uns den ganzen weiteren Text hindurch begleiten.

Die erste Frage, die wir uns für unsere Filmszene stellen, lautet: wo ist hier die Repräsentation? Wir bekommen für unsere Szene in dieser Denkfigur keinen Anfang und keinen Schöpfungsmythos. Wir gehen in medias res, direkt in diese Szene und mit aller Gewalt eröffnet sich uns die Szenerie und das Geschehen. Der Ort der Repräsentation ist gekoppelt an die beiden Raumschiffe, allerdings nicht identisch mit ihnen. Wir müssen uns mit einem Zusammenhang begnügen, der sich nur im Verhältnis denken lässt, aber eben keine Ursache und keinen Anfang findet. Die Schiffe fungieren als unsere monadischen Inseln in einem Geflecht von Beziehungen, das sich immer neu zu sich verhält und in steter Bewegung ist. Verschaffen wir uns also für unsere Denkfigur etwas Ordnung:

Mit dem Begriffsapparat von Jacques Lacan gesprochen sind wir sind im leeren Weltraum des Realen, der mit dem Symbolischen in Relation steht.[5] Das Symbolische in Form von Sprache und Gesetz markiert dann auch die Orte, an denen Repräsentation entstehen kann und überhaupt denkbar ist. Symbolisches und Repräsentation sind dann sogar unauflöslich miteinander verbunden. Die These lautet an dieser Stelle also: Ohne Sprache und Gesetz keine Repräsentation und somit auch keines unserer Raumschiffe. Die Raumschiffe sind die Schiffe in dem Raum, in welchem Repräsentation stattfindet oder stattfinden kann. Doch worauf läuft diese Feststellung hinaus und welche Rolle nehmen nun die Individuen in diesem Zusammenhang ein?

Gehen wir zurück in die Szene. Wir sehen Dr. Mann, der sich mehr oder weniger gewaltsam und rücksichtslos Zutritt zur Endurance verschaffen möchte.

Dieses Raumschiff ist für uns nun der dominante Ort der Repräsentation, um im Lacanschen Vokabular zu bleiben könnten wir vom Herrensignifikanten sprechen, dessen Diskurs, den Regeln der Dialektik folgend, immer zum Scheitern verurteilt ist.[6] Das Schiff ist kurz gefasst bestimmender Bestandteil von Ideologie und den Diskursen, in denen sich die Menschen bewegen und aus denen sie sich auch nicht einfach ausklinken können.[7] Dieses Schiff verkörpert die großen Projekte der Moderne, die ja wesentlich durch die Aufklärung bestimmt sind, beispielsweise den Gedanken einer Universalgeschichte oder der Menschenrechte, um zwei Beispiele zu nennen, die in der bürgerlichen Gesellschaft bis heute nachwirken und immer noch die prägenden Narrative bilden, egal ob man sich nun positiv oder negativ zu ihnen verhalten mag, ob man sie auf den großen Bühnen der Weltpolitik denkt oder im kleinen Rahmen eines Symposiums an einer Universität.

Und so erklärt Dr. Mann uns ja auch, wie zur Rechtfertigung seines Handelns: „This is not about my life or Coopers life. This is about all mankind.“ Er behauptet hier das Subjekt der Geschichte schlechthin, die Menschheit im Ganzen, zu vertreten und in ihrem Sinne zu handeln, auch wenn dabei Einzelne untergehen. Dass es sich hierbei, unter den bestehenden Verhältnissen, um eine verlogene Ideologie handelt, die die Antagonismen der modernen Gesellschaft mit Begriffen wie Freiheit und Gleichheit verhüllt, haben Marx, Engels und viele Weitere zur Genüge herausgearbeitet. Und Dr. Mann erinnert uns durch sein egoistisches und korruptes Handeln sehr deutlich an eben diese ideologischen Verkleidungen, mit denen sich die Durchsetzung der vermeintlichen Zivilisation und der Aufklärung, als dessen Produkt bei Marx und Engels die Bourgeoisie auf der Weltbühne erscheint, über den Globus vollzogen hat:

Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde.[8]

Die bekannten Grausamkeiten dieser neuen Welt sind unablöslicher Bestandteil ihrer Vorstellungen von Fortschritt und Zivilisation. Und auch in unserem Beispiel kommt es nun zur Katastrophe. Bevor Mann seine heuchlerische Rede und seine Argumente zu Ende bringen kann, kommt es zur Explosion. Die Maschine, die als notwendiges Werkzeug der Aufklärung fungiert und dazu dienen sollte, sich von der Natur zu emanzipieren und sich als Menschen zu befreien, explodiert. Das große Projekt gerät ins Strudeln und die Welt „strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.“[9] Und diese Explosion führt nun auch die Repräsentation, die Möglichkeit des Denkens, aber auch des Handelns in einem (globalen, größeren) gesellschaftlichen Kontext, in die Krise und bringt sie auf Kurs in Richtung endgültiger Auslöschung.

3. Die Religion und der tätige Mensch

Die beiden Menschen, die Zeugen dieses Szenarios werden, versuchen noch Dr. Mann zuzureden, aber es ist zu spät. Und nachdem die Krise eingetreten ist: Schweigen und Fassungslosigkeit. Dann haben wir es mit zwei Reaktionen zu tun: Zunächst flüstert Dr. Brand lediglich „Oh my god.“ In ihrem kleinen partikularen Raumschiff, das sie hoffnungslos und hilflos erscheinen lässt, ist der Weg in die Religion durchaus nachvollziehbar. Der Wegfall von Möglichkeiten der Repräsentation birgt in sich das Potential, von dieser Welt in eine jenseitige flüchten zu wollen, in der ideologische Konstrukte wie Nation oder religiöse Heilsversprechen ein Gefühl von Sicherheit und Identität geben können. Bei Marx heißt es: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist.“[10]. Aber die Flucht in metaphysische Konstrukte kann keine Lösung sein, denn „[…] der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät“[11]. Diese Welt des Menschen meint in unserem Kontext eben auch die Frage der Repräsentation, die unweigerlich von dieser Welt ist. Sie erwächst aus dem Boden der bestehenden Verhältnisse. Spätestens an dieser Stelle muss ich allerdings einen kleinen Einwurf machen und betonen, dass die Krux in unserem Beispiel unter anderem darin besteht, dass unsere von der großen Maschine ausgeschlossenen Figuren überhaupt die Möglichkeit haben, sich dieser Maschine anzunähern. Die Frage bleibt bestehen, inwiefern Menschen in ihren Verhältnissen Möglichkeiten der Repräsentation haben oder wahrnehmen können.

Doch zurück zu unserer Szene und der zweiten Reaktion, der wir hier begegnen und der Frage, was zu tun sei. Wenden wir uns dafür Cooper zu. Er weiß, dass der Mensch nicht außerhalb der Welt steht, nicht stehen kann. Seine einzige Möglichkeit über seine partikulare Existenz, in unserer Szene das kleine Shuttleschiff, hinauszukommen, ist das Mutterschiff Endurance. Das Handeln, das Tätigsein des Menschen produziert die Repräsentation, erschafft sie notwendigerweise. Lediglich das Verbleiben im Partikularen und Abgekapselten erscheint als scheinbar möglicher Ausweg und Rückzug. Marx und Engels schreiben in Die deutsche Ideologie:

Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewußtseins ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit und den materiellen Verkehr der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens. Das Vorstellen, Denken, der geistige Verkehr der Menschen erscheinen hier noch als direkter Ausfluß ihres materiellen Verhaltens. Von der geistigen Produktion, wie sie in der Sprache der Politik, der Gesetze, der Moral, der Religion, Metaphysik usw. eines Volkes sich darstellt, gilt dasselbe.[12]

Coopers Aktion ist bestimmt durch eben eine solche materielle Tätigkeit, auf welche die Repräsentation lediglich folgen kann, quasi das Handeln. Er flüchtet nach vorne, er fliegt direkt auf das beschädigte und in scheinbar unaufhaltsame Bewegung gebrachte Raumschiff zu. Allen Warnungen zum Trotz stellt er sich der Frage: „What are you doing?“ und antwortet schlicht: „Docking!“. Nun bekommt er darauf gesagt: „It’s not possible!“. Und Cooper erwidert im besten heroischen Hollywoodmodus: „No, it’s necessary.“ Die Repräsentation erscheint als gesellschaftliche Notwendigkeit und ist trotz, oder vielmehr wegen ihres widersprüchlichen Charakters, der sich im Rahmen der materiellen Tätigkeit und des Bewusstseins bewegt, Grundbedingung für eine potentielle Weiterentwicklung. Die Aufhebung der Widersprüche im Kontext von Handlung und Repräsentation erscheint also als unmöglich aufzulösendes Paradoxon. Wenden wir uns diesem Widerspruch von der Notwendigkeit einer unmöglichen Repräsentation zu.

4. Von der Einsicht in die Notwendigkeit

Wenn Repräsentation uns auch als Notwendigkeit in gesellschaftlichen Zusammenhängen erscheint und in Widersprüchen verhaftet bleibt, so eröffnet sich hier auch der Raum der Freiheit. In seinem Anti-Dühring hält Engels zu dem Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit in Anlehnung an Hegel fest:

Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebnen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen. Es gilt dies mit Beziehung sowohl auf die Gesetze der äußern Natur, wie auf diejenigen, welche das körperliche und geistige Dasein des Menschen selbst regeln – zwei Klassen von Gesetzen, die wir höchstens in der Vorstellung, nicht aber in der Wirklichkeit voneinander trennen können. Freiheit des Willens heißt daher nichts andres als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können. Je freier also das Urteil eines Menschen in Beziehung auf einen bestimmten Fragepunkt ist, mit desto größerer Notwendigkeit wird der Inhalt dieses Urteils bestimmt sein; während die auf Unkenntnis beruhende Unsicherheit, die zwischen vielen verschiednen und widersprechenden Entscheidungsmöglichkeiten scheinbar willkürlich wählt, eben dadurch ihre Unfreiheit beweist, ihr Beherrschtsein von dem Gegenstande, den sie grade beherrschen sollte. [Hervorhebungen im Original][13]

In der Repräsentation kommen äußere und innere Gesetzmäßigkeiten zusammen und zur Erscheinung. Repräsentationen markieren Handlungsräume, in denen sich auch die Möglichkeit zur Veränderung und somit zur Hoffnung, zur Utopie und zum Ideal zeigen. Sie sind Ausdruck der Vorstellungen, die sich der gesellschaftliche Mensch von seinem Dasein macht, bleiben aber im Zwischenmenschlichen zwangsläufig unvollendet. Die absolute, abgeschlossene Repräsentation ist somit nicht möglich, aber es geht nun mal auch nicht ohne sie. Wir produzieren sie zwangsläufig und die Frage, die im Raum steht, ist nicht die nach dem Für oder Gegen die Repräsentation, sondern nach dem bewussten Umgang mit ihr und dem Wissen um ihre Herstellung durch menschliches Handeln. Eben darin liegen Freiheit und Möglichkeit. Wir müssen uns also mit den Widersprüchen der Repräsentation auseinandersetzen und uns ihnen bewusst stellen, wie Cooper es tut. Wir können nicht zurück zu einer Ursprünglichkeit oder gar zu verlorenen Ursprüngen. Walter Benjamin hält in seinem Text Über den Begriff der Geschichte fest: „Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns, daß der >Ausnahmezustand<, in dem wir leben, die Regel ist.“[14] Der Ausnahmezustand ist kein Ausnahmezustand, sondern vielmehr ein Normalzustand, dem nur die „Herbeiführung des wirklichen Ausnahmezustands“[15] entgegengesetzt werden kann. Cooper passt sich deshalb den Bewegungen des Schiffes an, versucht zu begreifen, was passiert und stellt sich der Unmöglichkeit: eine extreme Belastung. Dass die Auseinandersetzung mit der Repräsentation an die Grenzen und sogar darüber hinausgeht, sehen wir in der Szene, wenn die beiden Hauptfiguren der Ohnmacht nah sind. Kein Mensch kann sich dieser Aufgabe allein entgegenstellen, da die meisten Menschen in der Regel keine fiktiven potenten Hollywoodhelden sind, daher bleibt es gesellschaftliche Aufgabe, die nur im Verbund angegangen werden kann.

Damit kommen natürlich notwendigerweise viele der Themen zurück aufs Tableau, die mit dem Mutterschiff teilexplodiert sind. Da es in unserer Szene um die ganze Menschheit geht, auch wenn wir sie im Film vor allem als eine US-amerikanische Menschheit erleben, drängt sich beispielsweise das bereits angesprochene Problem des Universalismus auf. Der kontrovers diskutierte Ansatz von Vivek Chibber setzt sich mit den Widersprüchen der europäischen und bürgerlichen Tradition um diesen Begriff auseinander und skizziert seinerseits Vorschläge, wie Universalismus heute zu denken sein könnte. In seinem Buch verfolgt Chibber einen Ansatz in der Tradition von Marx und Engels und schreibt im Kontext seiner Kritik der Postkolonialen Theorie, dass wir es mit zwei Universalismen zu tun haben, die global zu denken sind:

[…] the modern epoch is driven by the twin forces of, on the one side, capital’s unrelenting drive to expand, to conquer new markets, and to impose its domination on laboring classes, and, on the other side, the unceasing struggle by these classes to defend themselves, their well-being, against this onslaught. This dual process encompasses both East and West, thereby binding both parts of the world together in the same global process […], the same universal history.[16]

Damit wird der bürgerliche Gedanke des Universalismus und des Fortschritts, den wir bereits im Manifest als Ausdruck der globalen Durchsetzung der kapitalistischen Verhältnisse gesehen haben, nicht einfach verworfen, vielmehr produziert er abseits seiner ideologischen Heilsversprechen an die Menschheit als einer Menschheit erneut Widersprüche, die eben einen weiteren Universalismus hervorbringen, nämlich den Kampf gegen eben diese globalisierten kapitalistischen Verhältnisse. Diese Aufgabe bleibt also bestehen und steht trotz des rotierenden Schiffes immer noch vor uns.

5. Der Engel der Geschichte und die Trümmer

Kommen wir nun abschließend noch einmal auf den vermeintlichen Normalzustand, der dem Ausnahmezustand vorangegangen zu sein scheint, zurück. Im Film setzen wir diesen Zustand mit dem intakten Schiff gleich, das erst durch die Explosion aus der Bahn geworfen wird. Und dass es in einem Hollywoodfilm eine Auflösung dieser Szene gibt und alles wieder in einen ruhigen Zustand zurückkehrt, müssen wir natürlich als eben die Ideologie begreifen, die etwas Reines, Ursprüngliches behauptet. Ein Zurück zu einer vermeintlich vergangenen Ordnung kann nicht funktionieren, da auch die Maschine nichts Ursprüngliches oder Abgeschlossenes ist. Vielmehr müssen wir uns den umherfliegenden Trümmern und der Maschine stellen und uns nicht irgendwann einfach selbstzufrieden zurücklehnen und sagen: „Ok. We are out of Orbit.“

Denn diese Trümmer fliegen auch uns um die Ohren. Es sind eben die Trümmer, die sich vor Walter Benjamins Engel der Geschichte auftun, die Trümmer einer Katastrophe: „Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert.“ [Hervorhebungen im Original][17] Was bleibt, ist die Wahl zwischen einem unmöglichen Rückzug oder der Konfrontation mit der Möglichkeit und der Notwendigkeit, sich dem Denken, der Geschichte und der Krise zu stellen und auf immer neue Weise die Herausforderung anzunehmen, um handeln zu können und dabei beweglich zu bleiben. Das Schlusswort gebe ich somit auch recht parteiisch unserem Helden und ende mit Coopers Worten: „Initiate Spin!“.


  1. Interstellar, Christopher Nolan, USA u. GB, 2014. Warner Bros. Entertainment Inc. and Paramount Pictures Corporation, 2014. Blu-ray.
  2. Die relevante Szene lässt sich auch bei YouTube finden: https://www.youtube.com/watch?v=a3lcGnMhvsA (Zugriff am 22.02.20).
  3. Spivak, Gayatri Chakravorty: „Can the Subaltern Speak?“, in: Cary Nelson, Lawrence Grossberg (Hg.): Marxism and the interpretation of culture. Urbana 1988, S. 271-313, hier S. 275.
  4. Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, in: Ders.: Gesammelte Schriften. Band. 6. Frankfurt a.M. 2003, S. 7-400, hier S. 151.
  5. Der Begriff des Symbolischen steht im Kontext der drei Ordnungen in der Theorie Lacans. Dabei handelt es sich um das Reale, das Imaginäre und das Symbolische. Das Symbolische steht, grob vereinfacht, für die Gesetze und Strukturen, die im Wesentlichen durch Sprache formuliert sind und die das soziale Leben bestimmen. Das Reale meint in etwa den Bereich, der über das Symbolische hinausgeht und sich der Integration durch das Symbolische entzieht. Im Zentrum der Theorie des Imaginären steht wiederum die Bildung des Ich und die Frage der Identifikation. Keine der drei Ordnungen kann unabhängig von den anderen gedacht werden. (Vgl. Evans, Dylan: Wörterbuch der Lacan’schen Psychoanalyse. Wien 1997, S. 133–136; 228–232; 275–277.)
  6. Vgl. ebd., S. 123 f.
  7. Wir sollten uns an dieser Stelle ins Gedächtnis rufen, dass mit Ideologie mitnichten bloß falsches Bewusstsein gemeint ist. Der Begriff von Ideologie muss in seiner Komplexität umfassender begriffen werden und gedacht werden „als Ausdruck der wirklichen historischen Situation und der in ihr enthaltenen Widersprüche, retardierender und progressiver Tendenzen im Bewußtsein […], mithin als Einheit von Momenten historischer Wahrheit und zugleich Unwahrheit“ (Holz, Hans Heinz: Weltentwurf und Reflexion. Versuch einer Grundlegung der Dialektik. Stuttgart 2005, S. 10).
  8. Engels, Friedrich/Marx, Karl: Manifest der Kommunistischen Partei, in: Marx-Engels-Werke, Band 4, S. 459-493, hier S. 466.
  9. Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a.M. 1988, S. 9.
  10. Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: Marx-Engels-Werke, Band 1. Berlin 1981, S. 378-391, hier S. 378.
  11. Ebd.
  12. Marx, Karl/Engels, Friedrich: Die deutsche Ideologie, in: Marx-Engels-Werke, Band 3. Berlin 1978, S. 9-530, hier S. 26.
  13. Engels, Friedrich: Anti-Dühring. In: Marx-Engels-Werke, Band 20. Berlin 1975, S. 1-303, hier S. 106.
  14. Benjamin, Walter: „Über den Begriff der Geschichte“, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Band I, S. 691-704, hier S. 697.
  15. Ebd.
  16. Chibber, Vivek: Postcolonial Theory and the Specter of Capital. London, Brooklyn, S. 208.
  17. Benjamin: „Über den Begriff der Geschichte“, S. 697.
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