REZENSION | Regisseur_innen: Genese einer Künstlerfigur
Eine Rezension von Denis Hänzis 2013 erschienener Studie Die Ordnung des Theaters. Eine Soziologie der Regie.
Eine Rezension von Denis Hänzis 2013 erschienener Studie Die Ordnung des Theaters. Eine Soziologie der Regie.
Als Einar Schleef am 21. Juli 2001 starb, war ich im 2. Semester und kannte seinen Namen nur vom Hörensagen, eine Inszenierung hatte ich nie gesehen. Ich hatte jedoch das Glück, an einem Experiment teilnehmen zu können, das den Versuch unternommen hat, Schleefs Theaterauffassung erfahrbar zu machen. Es zielte allerdings nicht darauf ab, seinen Formenkanon eins zu eins nachzustellen, sondern sich in der Form zu bewegen, die Schleef wohl am meisten bewegt hat: in der des Chores. Resultat dieses Experiments war die Chortheater-Produktion WESTEND.
Ein Gespräch mit der Dramaturgin Rita Thiele
Alexander Kerlin: Frau Thiele, im Team von Claus Peymann haben Sie in den neunziger Jahren bis 2001 am Wiener Burgtheater und am Berliner Ensemble als Dramaturgin gearbeitet. Im Kontext verschiedener Arbeiten sind Sie dort auch Elfriede Jelinek und Einar Schleef begegnet. Wie haben Sie Herrn Schleef, wie Frau Jelinek kennengelernt?
Auf dem Videomitschnitt von den Proben Einar Schleefs zu Macht nichts. Eine kleine Trilogie des Todes von Elfriede Jelinek spricht Schleef Sätze aus dem Monolog DER WANDERER. Das ist ein alter Mann, der nichts anderes kann als wandern bis zum Umfallen. Ein Jedermann auf dem Weg, den wir alle gehen. Bei Jelinek ist der Wanderer „ein halber Mensch (aus) einem halben Haus“, ein halbfertiger, fertig gemachter, vielfach gedemütigter, ängstlicher, vielleicht bettnässendender alter Mann mit einer Neigung zum Philosophieren und einer flackernden Phantasie. Jetzt traut er sich etwas und ist unterwegs just auf dem Weg, den ein jeder geht.
1. Der Raum des Chors: Die Leerstelle
Etwas fehlt. Und offensichtlich länger schon. Vor genau 200 Jahren beklagt Schiller im Vorwort zurBraut von Messina den, am Vorbild einer idealisierten Antike gemessenen, Zerfall und Verlust des öffentlichen Lebens:
Der Palast der Könige ist jetzt geschlossen, die Gerichte haben sich von den Toren der Städte in das Innere der Häuser zurückgezogen, das Volk selbst, die sinnlich lebendige Masse, ist, wo sie nicht als rohe Gewalt wirkt, zum Staat, folglich zu einem abgezogenen Begriff geworden, die Götter sind in die Brust des Menschen zurückgekehrt.
Einige Anmerkungen zur Aufführung der SALOME in Düsseldorf
Am Anfang war das Fest. Kein Wort fällt bei der Huldigung an den Herodes Antipas. Keine naturalistische Illustration bebildert das Geburtstagsfest, zu dem die Ersten Galiläas gebeten sind. Keine psychologische Deutung setzt ihre unterschiedlichen Seelenlagen ins Bühnenlicht. Bloßes Zeremoniell. Statuarisch. Ein Standbild. Das Schweigen eröffnet die Inszenierung der Salome in Düsseldorf. Ein Schweigen zu Ehren der Majestät – des Herrschers Herodes Antipas. Eine Zeremonie, die das Gewicht der Macht spürbar werden läßt und das Publikum zutiefst in Unruhe stürzt. Nach zehn- bis fünfzehnminütigem Schweigen ist die Audienz beendet. Die Zuschauer werden in die Pause entlassen. Im Foyer wird debattiert. „Geschnattert“, sagte Schläfe.
Vortrag, gehalten im November 2004 auf einer Tagung zu Einar Schleef im Ringlokschuppen Mülheim an der Ruhr
1. In Sangerhausen habe ich über den Chor als Wohnfunktion gesprochen und eine Architektur des Chores beschrieben, die dem Gegensatz von Innen und Außen folgt. Ich habe das erläutert anhand eines Textes von Schleef über den Auszug aus seinem Elternhaus. Der Chor als Wohnfunktion bleibt auch weiterhin Thema, es geht jedoch nun nicht mehr nur um die Bewohner eines Hauses, sondern um die von Dörfern und Städten.
1. Das Verschwinden der Frau aus dem tragischen Konflikt / Der Untergang des Chores in der deutschen Klassik
Einar Schleefs Überlegungen zum Theater, die er in Droge Faust Parsifal zusammengefaßt hat, rücken zwei Aspekte ins Zentrum: Das Verschwinden der Frau aus dem tragischen Konflikt der Stücke seit der Weimarer Klassik und den Chor als theatrale und politische Form. Diese beiden Themenkomplexe sind innig miteinander verbunden, da die Frau in der griechischen Tragödie, so Schleef, eine große Rolle bei der Konstitution des Chores gespielt hat, während seit der Deutschen Klassik der Chor sich gerade durch den Ausschluß der Frau konstituiert.
Einar Schleefs Chortheater weist als grundsätzliche Befragung des Theaterraums auf ein Paradox hin, das dem europäischen Theater von Beginn an eingeschrieben scheint: Dem Chor als erster Figur des Theaters scheint in diesem kein eigentlicher Ort zuzukommen.Schleefs Arbeit an diesem Paradox soll im folgenden an vier exemplarischen Punkten nachgezeichnet werden: an seiner analytischen Beschreibung der tragischen Bühne als Szene ,VOR DEM PALAST‘, an der Fragilität der theatralen Orte in der Inszenierung Ein Sportstück, an der Definition des Orchesters als Chor in der Inszenierung Der Golem in Bayreuth und an Schleefs Wagner-Rezeption und dem Problem des Orchestergrabens.
1. Ursprung des Mediums: “Mitteilbarkeit” Walter Benjamin gilt heute nicht nur als einer der innovativsten Kritiker des 20. Jahrhunderts, sondern auch als ein bahnbrechender Denker der modernen Medien. Wie es dazu kam ist eine Frage, die mehr als bloß biographisches Interesse hat. Denn – so meine Hypothese – Benjamins Einsichten in die neuen Medien – Film, Radio, Photographie – kamen aus seiner Beschäftigung mit den “alten” Medien. Darunter verstehe ich nicht nur die bildenden Künste und die Literatur, sondern auch abstraktere “Medien” wie Zeit, Raum und Sprache, die vor allem von der Philosophie thematisiert und reflektiert worden sind.
Diese Ausgabe des jährlichen Online-Journals der Gesellschaft für Theaterwissenschaft thewis erscheint im Vorfeld der Jahrestagung der Gesellschaft für Theaterwissenschaft, die vom 12.-15. Oktober 2006 in Erlangen unter dem Thema „Theater und Medien“ stattfindet.
In Weimar am Theater zu arbeiten heißt, sich über die Konventionen von Metaphern anders auseinander zu setzen als anderswo. Das liegt an Buchenwald. Der Allpräsenz dieser deutschen Geschichte entkommt in Weimar niemand, schon gar nicht auf dem Theater. Wenn man ein Zug-Geräusch in irgendeine szenische Situation einbaut, sind es die Züge ins Lager, wenn man auf den Eisernen Vorhang Feuer projiziert, sind das die Öfen. Ob man das so verstanden wissen will, ob man das meint oder nicht. Das ist so. Es liegt also nahe, sich mit Buchenwald auch bewusst auseinander zu setzen, sich diesem Ort auszusetzen und das Gespräch darüber, die Begegnung, nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich zu suchen. Weiterlesen
Was kann eine gute stehende Online-Zeitschrift eigentlich wirken? Diese Frage stellen sich seit ihrem Beginn die Herausgeber und Autoren dieser Zeitschrift, die zu einem Zeitpunkt erfunden wurde, als das Internet noch deutlich schwieriger zu bedienen und ein Online-Journal noch den Flair des neuen, unbekannten Mediums der ungeahnten Möglichkeiten hatte.
Die hier unter dem Titel “Fixieren und Bewegen – Heiner Müllers Inszenierungen auf Papier” präsentierten Aufsätze sind Zwischenergebnisse eines seit längerer Zeit am Institut für Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit den Etudes théâtrales der Université de Paris X, Nanterre, sowie mit der Internationalen Heiner Müller-Gesellschaft verfolgten Forschungsprojekts über die Manuskripte Heiner Müllers.
In der folgenden Bilderserie finden Sie die originalen Handschriften und die Transkriptionen von Christina Schmidt im Wechsel.