Was kann eine gute stehende Online-Zeitschrift eigentlich wirken? Diese Frage stellen sich seit ihrem Beginn die Herausgeber und Autoren dieser Zeitschrift, die zu einem Zeitpunkt erfunden wurde, als das Internet noch deutlich schwieriger zu bedienen und ein Online-Journal noch den Flair des neuen, unbekannten Mediums der ungeahnten Möglichkeiten hatte.
Mittlerweile ist die Entwicklung so weit fortgeschritten, dass das Internet mehr oder weniger jedem mit ein wenig Geduld und Zeit ermöglicht, sich auf diesem Weg einen Zugang zu einer potentiell größeren Öffentlichkeit zu verschaffen – nur dass tatsächlich kaum jemand lesen will, was auf ungezählten Seiten in Blogs und Chatforen, auf Kommentarseiten und Newslettern verfasst und verbreitet wird. So stellt sich denn die Frage nach Sinn und Zweck einer Online-Zeitschrift heute anders als zum Zeitpunkt ihrer Begründung. Sie muss viel eher lauten: Welcher spezielle Zweck kann einen solchen Auftrittsort rechtfertigen und wie muss deshalb die Zeitschrift und ihre Netzumgebung gestaltet sein?
Die vorliegende Ausgabe, die von Martin Degeling, einem Studenten der Ruhr-Universität, neu gestaltet wurde, versucht, auf diese Frage einige Antworten zu geben. „Thewis“ sollte zunächst und in erster Linie ein Forum für Beiträge des Nachwuchses sein. Stehen Periodika wie das von Christopher Balme im Gunther Narr Verlag herausgegebene „Forum Modernes Theater“ nicht nur und erklärtermaßen, aber doch eher arrivierten Beitragenden unseres Faches offen, so liegt es nahe, „Thewis“ als ein Forum für den interessierten und engagierten Nachwuchs zu profilieren. Somit sind vor allem Studierende und Promovierende der Theaterwissenschaft und der benachbarten Fächer eingeladen, „Thewis“ als eine Plattform zu nutzen, um frühzeitig eine über den Arbeitszusammenhang eines Seminars, Kolloquiums oder Workshops hinausgehende Öffentlichkeit zu suchen. In Sonderheit eignet sich „Thewis“ daneben für solche Materialien und Forschungsergebnisse, die einen eher vorläufigen Charakter tragen. Es kann der Ort für erste Publikationen sein, die gewinnen, indem sie sich durch den Ernstfall einer Veröffentlichung herausgefordert fühlen. Es bietet sich zur Vorstellung von Projekten und Arbeitsvorhaben an, für die Diskussionen gesucht oder Kontakte und Mitarbeitende gewünscht werden. Es ist die richtige Adresse für entlegene Aspekte und für Formate, die in keinen Sammelband passen, weil sie zu lang sind oder zu spekulativ oder zu viele Abbildungen, Film- oder Hörbeispiele vorsehen. Die Entwicklungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht sind vielfältig. Sie sollten die Phantasie anregen und zum Experiment ermuntern, denn ein Online-Journal hat zusätzlich den großen Vorteil, eine kostengünstige Form der Publikation zu bilden.
Damit die Zeitschrift in diesem Sinne funktionieren kann, muss es einfacher werden, sie als Publikationsorgan zu benutzen. Die vorliegende Ausgabe ist deshalb in technischer Hinsicht so konzipiert, dass die Einrichtung einer Ausgabe in wenigen Stunden zu schaffen ist. Gleichzeitig muss die Zeitschrift aber Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dafür stand bereits bisher die Verbindung zur Gesellschaft und ihrer Webseite, denn wer immer sich über die Aktivitäten der Gesellschaft für Theaterwissenschaft informierte, kam an „Thewis“ nicht vorbei. Gleichwohl hieß dies auch, dass die Zeitschrift vor allem im Vorfeld des Kongresses der Gesellschaft konsultiert wurde – dann, wenn man wissen wollte, wer wann wo sprechen würde und bei wem man weitere Informationen dazu erhalten könnte. Was lag deshalb näher als die von unseren Studierenden vorgeschlagene Idee, „Thewis“ mit einem Veranstaltungskalender zu verbinden, der über die immer zahlreicher werdenden szenischen Projekte und künstlerischen Aktivitäten der Studierenden und Doktoranden der Theaterwissenschaft informiert. Wo gefragte Websites sich zunehmend dadurch auszeichnen, dass sie nicht für jeden etwas, sondern für konkrete Zielgruppen exakt die gesuchten Informationen bereit halten, da könnte, so das Kalkül, ein solcher Veranstaltungskalender zum Publikumsmagnet werden, welcher der mit ihm verbundenen Zeitschrift gleichsam als Kontakthof dienen könnte.
Die wechselseitige Bekanntgabe von geplanten Projekten, Aufführungsdaten und Orten soll ermöglichen, dass interessierte Studierende zunächst einmal von den Plänen, Sujets und Aufführungen der jeweils anderen überhaupt erfahren. Auch hier steht der Gedanke des Forums in Vordergrund, denn diese ‚Szene’ ist bislang völlig ohne jede Möglichkeit, sich gegenseitig wahrzunehmen. Denkbar ist, dass auch hier aus der Möglichkeit einer Vernetzung gezielte Besuche, Einladungen, Arbeitszusammenhänge und Auftritte in punktuell gemeinsamen Veranstaltungen, Plattformen etc. entstehen, ein Forum jedenfalls, das über die Öffentlichkeit des je eigenen Instituts oder Ortes hinausreicht – sofern dieses gewünscht oder gebraucht wird oder sich als sinnvoll und nützlich erweist.
Die vorliegende Ausgabe „Thewis 2008“ versteht sich auch als Diskussionsgrundlage über Sinn und Zweck einer derartigen Online- Zeitschrift der Gesellschaft für Theaterwissenschaft. Entstanden ist mit „Thewis 2008“ ein Vorschlag, der vollkommen abhängig ist von seinem Gebrauch und seiner Verwendung durch die jüngere Generation innerhalb des Faches. Ihre Perspektiven, Sujets, Formen, Entwicklungen und Vorschläge sind von erheblichem Interesse – nicht ‚für die Zukunft’, wie eine Politikerfloskel vorschnell nahelegt, sondern für die Gegenwart einer lebendigen Theaterwissenschaft.